Aller guten Dinge sind drei: Schon wieder Spione


Acht Monate nach der zweiten Austauschaktion kam auch der sowjetische Bürgerrechtler Anatolij Schtscharanski frei; im Rahmen des dritten und bei weitem spektakulärsten Auftritts von Agenten aus Ost und West auf der Glienicker Brücke. 1978 war Schtscharanskij unter dem Vorwurf der “antisowjetischen Agitation” und des “Landesverrats in Form von Spionage” zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Schtscharanski selbst behauptete, lediglich Kontakt zu amerikanischen Diplomaten und Journalisten unterhalten zu haben, um den unterdrückten Juden in der Sowjetunion zu mehr Öffentlichkeit verhelfen zu können. Daß seine eigene Person im Westen so bekannt war, hatte er seiner Frau zu verdanken, die noch vor seiner Verhaftung nach Israel hatte ausreisen dürfen. Sie informierte regelmäßig die Presse über die Leiden ihres Mannes im sowjetischen Arbeitslager. Brücke. Er fand am 11. Februar 1986 statt, fast auf den Tag genau 24 Jahre nach dem Wechsel von Powers und Abel an dieser Stelle.

Es war ein sehr kalter Wintermorgen mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und Schneeregen, die Straßen voller Schneematsch. Rund um die Glienicker Brücke hatten die Alliierten umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um den Austausch möglichst ungestört über die politische Bühne bringen zu können. Der letzte Abschnitt der Königstraße in Wannsee vor der Brücke war gesperrt, ebenso das Schloß Glienicke und ein Teil des Volksparks Klein-Glienicke am Rande der Havel.

Hunderte von Journalisten harrten der Spione, die da aus der Kälte kommen sollten. Unzählige Kameras in- und ausländischer Fernsehsender waren bereit. Schon Tage zuvor hatte man Sendestationen und Satellitenschüsseln installieren sowie Telefonanschlüsse verlegen lassen, um das Ereignis “live” und aus nächster Nähe zu übertragen. Um 10 Uhr 42 MEZ ging es los. Eine Wagenkolonne fuhr aus Richtung Wannsee kommend auf die Brücke. Vorneweg ein Polizeiwagen, dahinter der goldfarbene Mercedes von DDR-Rechtsanwalt Vogel und der Wagen von US-Botschafter Burt. Dann zwei Kleinbusse mit den Agenten, die in die DDR entlassen werden sollten. Aus Richtung Osten kamen neben Schtscharanski drei Agenten frei.

In der Regel wurden Austauschaktionen zwischen der Bundesrepublik und der DDR am Grenzübergang Herleshausen/Wartha abgewickelt, doch die Einbeziehung Schtscharanskis gab diesem Fall internationales Gewicht, zumal auch die USA ihren Beitrag zum Gelingen der Aktion lieferten. Die US-Seite schlug deshalb einen der US-Regierung angenehmen Übergabeort vor: die Glienicker Brücke. Da ihr östlicher Teil im Westen, genauer im amerikanischen Sektor von Berlin lag, hatten die USA - laut Besatzungsstatut - an dieser Stelle das Sagen. Auch auf östlicher Seite hatte man offenbar durchaus Interesse an einer öffentlichkeitswirksamen Entspannungsgeste.


Um 11.31 Uhr war der Spuk vorbei. Die zahlreichen Zivil- und Polizeifahrzeuge verließen den Schauplatz in Richtung Innenstadt. Die an diesem Tag von der DDR-Nachrichtenagentur ADN verbreitete Meldung über dieses Ereignis war kurz und knapp: “Austausch auf der Glienicker Brücke. Auf Grund von Vereinbarungen zwischen den USA und der BRD sowie der UdSSR, der CSSR, der VRP (= Volksrepublik Polen.) und der DDR fand am Dienstag, dem 11.2.1986 ein Austausch von Personen statt, die durch die jeweiligen Länder inhaftiert worden waren. Darunter befanden sich mehrere Kundschafter.”